ZWISCHENSTOPP
BREMEN- VON EINEM „BLEI“SCHWEREN ERLEBNIS UND EINEM TREFFEN MIT
HERRN L.
Zugegeben
auf die Frage wer schon mal in Bremen einen Zwischenstopp eingelegt
hat, können viele mit „Ja!“ antworten. Wie steht es denn mit
prominenten Gästen?
Mario
Puzo, Wilhelm Hauff, Max Schmeling, Zarah Leander ...ließe sich noch
fortführen. Um die soll es aber nicht gehen.
Heute
geht es um ein Geschwisterpaar. Er hatte ein „blei“schweres
Erlebnis und sie ein Treffen mit einem Herrn L.
Aber
der Reihe nach. Die Erinnerungen an den Norddeutschen Lloyd sind da,
wenn man weiß wo man hingucken muss. Auf dem Foto links sieht man am
rechten Bildrand eine rote Mauer. Dort kann man eine graue Tafel
finden, die an ein Gebäude des Norddeutschen Lloyd erinnert. Schon
aus der Ferne fiel es auf, nicht zuletzt wegen seinem markanten Turm.
Im Volksmund hieß er „die Flasche“.
Hier
war „Er“. Aber hören wir mal rein.
„In
der Papenstrasse erscheint uns der Palast des Lloyd, mit
einer
großartigen Tür geziert, wir treten ein und jetzt hat uns
das
Schicksal. Ferenczi hat ein großes Bündel schmutziger Zettel
bei sich, die auf der einen Seite schwarz und auf der
anderen
grün sind, und in der Mitte ein Bild tragen wie von
einem
Büffel oder anderen Thieren. Es sind Dollarscheine zu 10
oder
50. Mit ihnen bezahlt er den Rest unserer
Fahrkarten…Auch
Post ist für mich da, eine Karte von Jung, der
am
19ten abends ankommen will, also schon da sein muß.
Wenige
Minuten später erscheint er selbst, strahlend wie
immer.“
Sicherlich
erahnen Sie wer hier seine Karten bezahlt hat? Kein geringerer als
Sigmund Freud. Mit „Jung“- meint er Carl Gustav Jung einen
bekannten Psychiater aus der Schweiz.
Die
Zeit bis zur Abreise vertreibt sich die kleine Gruppe mit einem
Bummel durch die Bremer Innenstadt. So landen sie auch u.a. im
Bleikeller. In seinem Reisejournal beschreibt Freud den Keller so:
„Ein Raum in dem vor 400 Jahren zufällig die Leiche eines vom Dach
gestürzten Arbeiters beigesetzt und vergessen wurde.Viele Jahre
später machte man die Entdeckung, dass sie nicht verwest sei,
sondern sich vortrefflich erhalten habe durch eine Eintrocknung, die
ein Bild wie eine Mumie ergibt“.
Anschließend
kehren Freud und seine Begleiter im bekannten „Essighaus“- zum
Mittagessen. Angetan durch die Mumien im Bleikeller wird Jung das
Thema bei Tisch wieder anschneiden. Das aber ging Freud so auf die
Nerven, das er ihn entnervt anfuhr: „Was haben sie denn mit diesen
Leichen?“ Freuds Ärger steigerte sich und resultierte in einer
Ohnmacht. Dieser Vorfall wird in der Literatur für viel Diskussion
sorgen.
Für
weitaus weniger Aufsehen sorgte später das Eintreffen von Freuds
Schwester Anna in Bremen. Sie reiste mit ihren vier Kindern.
„Unser
Schiff war der „Kaiser Wilhelm der Große“, vom Norddeutschen
Lloyd. Wir hatten zwei Luxuskabinen und waren herrlich untergebracht.
(…) Vor der Landung wurde verlautbart, daß die Passagiere um sechs
Uhr bereit sein müßten. Ich kleidete meine Schar schon um fünf Uhr
früh an. Allein, kurz vor Bremerhaven setzte ein starker Nebel ein,
so daß sich die Ankunft um mehrere Stunden verzögerte. (…) Bei
Ankunft um zwölf Uhr holte uns ein Herr mit einer weißen Nelke ab.
Das war das Erkennungszeichen, das mit einem Geschäftsfreund meines
Mannes ausgemacht war. Herr L. nahm die Kinder in Obhut, während ich
wegen des Gepäcks noch am Dock bleiben mußte. (…) Im Hotel traf
ich Herrn L. bei den Kindern. Wir waren bei ihm zu Tisch geladen. Er
wohnte in einem richtigen norddeutschen Haus mit einem prächtigen
Garten. (…) Die große Hansestadt, mit ihren Schutzgräben, alten
Denkmälern, neuem Rathaus und dem berühmten Ratskeller, (…) gab
mir neue interessante Eindrücke. Abends war ich von dem alten Herrn
L., der Senator in Bremen war, zu einem Festgelage eingeladen. (…)
Die drei Tage in Bremen, gerade zu Beginn des Frühlings, waren als
erste Etappe unvergeßlich“.
Quellen:
Sigmund
Freud: Gesammelte Werke Bd. 8;
ISBN
978-3-10-022709-6
Anna
Freud- Bernay: Eine Wienerin in New York – Die Erinnerungen der
Schwester Sigmund Freuds, erschienen im Aufbau Verlag
ISBN
3-351-02566-1
Taz,
17.10.2003, Ausgabe 7184 aus dem Artikel „Was haben Sie denn mit
diesen Leichen?“ von Dirk Strobel
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