Mittwoch, 10. Januar 2018

ZWISCHENSTOPP BREMEN- VON EINEM „BLEI“SCHWEREN ERLEBNIS UND EINEM TREFFEN MIT HERRN L.

Zugegeben auf die Frage wer schon mal in Bremen einen Zwischenstopp eingelegt hat, können viele mit „Ja!“ antworten. Wie steht es denn mit prominenten Gästen?
Mario Puzo, Wilhelm Hauff, Max Schmeling, Zarah Leander ...ließe sich noch fortführen. Um die soll es aber nicht gehen.

Heute geht es um ein Geschwisterpaar. Er hatte ein „blei“schweres Erlebnis und sie ein Treffen mit einem Herrn L.

Aber der Reihe nach. Die Erinnerungen an den Norddeutschen Lloyd sind da, wenn man weiß wo man hingucken muss. Auf dem Foto links sieht man am rechten Bildrand eine rote Mauer. Dort kann man eine graue Tafel finden, die an ein Gebäude des Norddeutschen Lloyd erinnert. Schon aus der Ferne fiel es auf, nicht zuletzt wegen seinem markanten Turm. Im Volksmund hieß er „die Flasche“. 
 
Hier war „Er“. Aber hören wir mal rein.
In der Papenstrasse erscheint uns der Palast des Lloyd, mit
einer großartigen Tür geziert, wir treten ein und jetzt hat uns
das Schicksal. Ferenczi hat ein großes Bündel schmutziger Zettel bei sich, die auf der einen Seite schwarz und auf der
anderen grün sind, und in der Mitte ein Bild tragen wie von
einem Büffel oder anderen Thieren. Es sind Dollarscheine zu 10
oder 50. Mit ihnen bezahlt er den Rest unserer
Fahrkarten…Auch Post ist für mich da, eine Karte von Jung, der
am 19ten abends ankommen will, also schon da sein muß.
Wenige Minuten später erscheint er selbst, strahlend wie
immer.“

Sicherlich erahnen Sie wer hier seine Karten bezahlt hat? Kein geringerer als Sigmund Freud. Mit „Jung“- meint er Carl Gustav Jung einen bekannten Psychiater aus der Schweiz.

Die Zeit bis zur Abreise vertreibt sich die kleine Gruppe mit einem Bummel durch die Bremer Innenstadt. So landen sie auch u.a. im Bleikeller. In seinem Reisejournal beschreibt Freud den Keller so: „Ein Raum in dem vor 400 Jahren zufällig die Leiche eines vom Dach gestürzten Arbeiters beigesetzt und vergessen wurde.Viele Jahre später machte man die Entdeckung, dass sie nicht verwest sei, sondern sich vortrefflich erhalten habe durch eine Eintrocknung, die ein Bild wie eine Mumie ergibt“.

Anschließend kehren Freud und seine Begleiter im bekannten „Essighaus“- zum Mittagessen. Angetan durch die Mumien im Bleikeller wird Jung das Thema bei Tisch wieder anschneiden. Das aber ging Freud so auf die Nerven, das er ihn entnervt anfuhr: „Was haben sie denn mit diesen Leichen?“ Freuds Ärger steigerte sich und resultierte in einer Ohnmacht. Dieser Vorfall wird in der Literatur für viel Diskussion sorgen.

Für weitaus weniger Aufsehen sorgte später das Eintreffen von Freuds Schwester Anna in Bremen. Sie reiste mit ihren vier Kindern.

Unser Schiff war der „Kaiser Wilhelm der Große“, vom Norddeutschen Lloyd. Wir hatten zwei Luxuskabinen und waren herrlich untergebracht. (…) Vor der Landung wurde verlautbart, daß die Passagiere um sechs Uhr bereit sein müßten. Ich kleidete meine Schar schon um fünf Uhr früh an. Allein, kurz vor Bremerhaven setzte ein starker Nebel ein, so daß sich die Ankunft um mehrere Stunden verzögerte. (…) Bei Ankunft um zwölf Uhr holte uns ein Herr mit einer weißen Nelke ab. Das war das Erkennungszeichen, das mit einem Geschäftsfreund meines Mannes ausgemacht war. Herr L. nahm die Kinder in Obhut, während ich wegen des Gepäcks noch am Dock bleiben mußte. (…) Im Hotel traf ich Herrn L. bei den Kindern. Wir waren bei ihm zu Tisch geladen. Er wohnte in einem richtigen norddeutschen Haus mit einem prächtigen Garten. (…) Die große Hansestadt, mit ihren Schutzgräben, alten Denkmälern, neuem Rathaus und dem berühmten Ratskeller, (…) gab mir neue interessante Eindrücke. Abends war ich von dem alten Herrn L., der Senator in Bremen war, zu einem Festgelage eingeladen. (…) Die drei Tage in Bremen, gerade zu Beginn des Frühlings, waren als erste Etappe unvergeßlich“.

Quellen:
Sigmund Freud: Gesammelte Werke Bd. 8;
ISBN 978-3-10-022709-6
Anna Freud- Bernay: Eine Wienerin in New York – Die Erinnerungen der Schwester Sigmund Freuds, erschienen im Aufbau Verlag
ISBN 3-351-02566-1
Taz, 17.10.2003, Ausgabe 7184 aus dem Artikel „Was haben Sie denn mit diesen Leichen?“ von Dirk Strobel



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